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Geförderte Projekte Informationen zu den 2016 zur Förderung ausgewählten Projekten


Forscherkoffer

Jens Ungerer & Sabine Kowalk, Verbundschule Weinsberg

In Algebra und Technik ist die Arbeit mit mathematischen Funktionen unabdingbar. Aber für viele Schülerinnen und Schüler sind sie ein Buch mit sieben Siegeln. Forschendes Lernen hilft dabei, Funktionen nicht nur als abstrakten Stoff zu vermitteln. Wenn in speziell dafür geschaffenen Lernumgebungen Alltagsphänomene beobachtet und selbst kleine Versuche durchgeführt werden, lässt sich ein besserer Lernerfolg erzielen. Genau das ist die Idee des Forscherkoffers: Er enthält das Material für Experimente, die eine 7. Klasse im Mathematik-Unterricht nutzen kann. Bisher fand Forschendes Lernen an Schulen oft nicht statt, weil die Vorbereitung für die Lehrkräfte zuviel Aufwand bedeutete. Der Forscherkoffer nimmt ihnen diese Arbeit ab und ermöglicht es so, dass mehr Schülerinnen und Schüler Mathematik von einer praktischen Seite kennenlernen und dadurch besser verstehen.

In den letzten Jahrzehnten fand eine Wandlung beim unterrichtlichen Umgang mit funktionalen Zusammenhängen statt. Die Dominanz der algebraischen und technischen Arbeit mit Funktionen weicht einer Forderung nach Ausbildung adäquater individueller Vorstellungen zu funktionalen Zusammenhängen und ihrem Erkennen in Alltagssituationen. Es geht hierbei um die Entwicklung flexiblen funktionalen Denkens (von Zelewski, 2015). Diese Denkweise erreicht man bei Schülern nicht, wenn man sie sich nur rein rechnerisch mit Funktionen auseinandersetzen lässt, sondern indem man ihnen Gelegenheiten und Anregungen bietet, funktionale Zusammenhänge in Alltagssituation zu entdecken und zu erforschen.

Ein Unterrichtsansatz, der es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, sich mit ihren spezifischen und heterogenen Vorkenntnissen aktiv und experimentell mit Situationen, die zum Aufbau eines tragfähigen Funktionsbegriffs führen, auseinanderzusetzten, kann mit dem Begriff des Forschenden Lernens konkretisiert werden. Wenn Lernende in gezielt gestalteten Lernumgebungen Phänomene oder Zusammenhänge beobachten, hinterfragen und erklären können und sich selbst Experimente ausdenken, in denen Daten gesammelt, anschließend analysiert und Ergebnisse präsentiert werden, dann sind sie forschend tätig. Studienergebnisse zu der Lernform des Forschenden Lernens zeichnen ein positives Bild. So kann durch Forschendes Lernen eine bessere Leistung und Einstellung gegenüber dem Unterrichtsfach erzeugt werden (Hattie, 2013, S. 248).

Für die Leitidee "Funktionaler Zusammenhang" stellt das Forschende Lernen eine Chance dar, den gut dokumentierten und verbreiteten Schülerschwierigkeiten in diesem Bereich frühzeitig zu begegnen. So wirken Graphen, die funktionale Zusammenhänge zwischen zwei Größen darstellen, auf die Lernenden meist abstrakt, unzugänglich und abschreckend (Nissen, 2009). Es ist daher nicht verwunderlich, dass Funktionsgraphen häufig als Abbilder von Realsituationen gesehen werden (Graph-als-Bild-Fehler). Ebenso zeigen sich Schwierigkeiten beim Umgang mit Funktionsgraphen, wenn die Achsenbeschriftung fehlerhaft ist, die Eindeutigkeit einer Funktion nicht beachtet oder die Steigung und Höhe verwechselt wird. Das Interesse für und die Neugier auf die konkrete Umsetzung Forschenden Lernens im Bereich der Funktionen, und die Forderung des neuen BPs 2016 Zusammenhänge durch Graphen darzustellen, sind Ausgangspunkt für unser Projekt, nämlich die Konzeption, Durchführung und Evaluation einer Lernumgebung zum Forschenden Lernen im Mathematikunterricht.


In Basisexperimenten werden Abhängigkeiten von Größen in bedeutungshaltigen Situationen mit interessanten Fragestellungen untersucht. Beispielsweise erforschen Schülerinnen und Schüler wie oft ein Stift angespitzt werden kann, bevor er aufgebraucht ist. Oder untersuchen mithilfe von Experimenten die Füllkurven unterschiedlich geformter Vasen, Flaschen und Glasgefäßen und formulieren Zusammenhänge zwischen Gefäßform und Kurvenverlauf usw. Abschließend planen und führen Schülerinnen und Schüler ein eigenes Experiment durch.

In einem ersten Durchgang wurde ein Experiment in einer 7. Klasse im Juni 2016 durchgeführt. Vor und nach der Durchführung wurde ein Kurztest geschrieben und Einstellungen zum Fach Mathematik erfragt. Im Vergleich zu einer Kontrollklasse erhoffen wir uns mithilfe von Experimenten, also Forschendem Lernen, die Einstellung zum Fach Mathematik positiv zu beeinflussen und bessere Leistungen gerade im Bereich der Grundvorstellungen bei Funktionen. Die Auswertung des Tests steht noch aus.

Bei der Konzeption der Lernumgebung mussten wir die Anzahl der Basisexperimente noch gering halten, da die Materialkosten für die Durchführung in einer Klasse mit 26 Schülerinnen und Schülern enorm hoch sind. Zusätzlich mussten viele Arbeitsblätter entwickelt werden. Unserer Meinung nach halten die enormen Kosten und die zeitaufwändige Vorbereitung viele Lehrkräfte davon ab, solche Experimente in ihrem Unterricht auch durchzuführen. Daher kam uns die Idee eines "Forscherkoffers", der Material für Basisexperimente im Klassensatz, Arbeitsblätter und didaktische Handreichungen für Lehrkräfte enthält. Zudem sind Bildkarten geplant, die die einzelnen Schritte bei der Durchführung der Experimente zeigen, damit Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Wissensständen teilnehmen können. Dabei denken wir an die steigende Zahl von DAZ-Schülerinnen und DAZ-Schüler (DAZ = Deutsch-als-Zweitsprache) und Inklusionsschülerinnen und Inklusionsschüler.

Dieser Forscherkoffer kann von anderen Schulen ausgeliehen werden, um beispielsweise die Experimente im eigenen Unterricht durchzuführen oder für den Einsatz im Rahmen einer Projektwoche etc. Unsere Zielgruppe sind insofern in erster Linie Lehrkräfte, die auch experimentell im Unterricht arbeiten möchten, und deren Schülerinnen und Schüler.

Die 1.000 Euro Fördergeld würden wir für die Entwicklung weiterer Experimente und für den Kauf der dafür notwendigen Ressourcen einsetzen, damit der Forscherkoffer sich weiter füllt und seinen Zweck erfüllen kann.

Sabine Kowalk und Jens Ungerer
Foto: Martin Magunia/Deutsches Lehrkräfteforum
 



ERFAHRUNGEN AUS DEM PROJEKT

Das Preisgeld wurde für die Entwicklung von Experimenten und für den Kauf dafür notwendiger Materialien ausgegeben. Vier Basisexperimente wurden ausgearbeitet und zweimal erprobt. Auf dieser Grundlage ließen sich die Arbeitsblätter sowie die methodische und didaktische Gestaltung der Versuche optimieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Schüler ihre Verständnisschwierigkeiten durch das experimentelle Erarbeiten des Lernstoffs überwinden können – im Vergleich zu einer Parallelklasse, die nicht mit dem Forscherkoffer gearbeitet hat, haben die Jugendlichen bessere Ergebnisse erzielt. Auch ihre Motivation war höher. Die Lehrkräfte, die mit dem Forscherkoffer schon gearbeitet haben, möchten ihn auf jeden Fall weiter einsetzen.


 
Projektbericht (PDF)
 

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